Anne Simone Krüger: Evelin Marin: VERINNERLICHEN. Von „Framing“, Memorialkonstruktionen und Erinnerungsräumen. In: Evelin marin: verinnerlichen. Katalog anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Atelier- und Projektraum Pastorenstraße 20 in Hamburg, hrsg. von Evelin Marin, Hamburg 2023.

Weiße Abdrücke menschlicher Körper schweben, einem fließenden Kleid oder einer schützenden, Kokon-artigen Hülle ähnlich, im Raum. Filigran muten sie an und zart, ihre papierne Materialität unterstreicht die Leichtigkeit ihrer Erscheinung, welche durch die zahlreichen, jedem der Körper-Objekte eingeprägten Körperfragmente, im gleichen Zuge eine ambivalente Schwere erhält. Menschliche Hände formen eine dieser Hüllen, scheinen die nicht oder nicht-mehr präsente Gestalt zu schützen, zu halten und sie im selben Zuge möglicherweise zu bedrohen. Gesichter bilden wasserfallähnlich ein weiteres Kleid, scheinen wie eine Ahnenreihe dem Gewand eingeschrieben zu sein und einen potentiellen Träger oder eine Trägerin mit ihren Geschichten zu umhüllen. Eine dritte schwebende Körperskulptur wird aus unzähligen Abformungen weiblicher Körper als Analogie zu den ebenfalls weiblich geformten Skulpturen gebildet, wiederum scheinen sich unzählige Identitäten in das Gewand eingeschrieben zu haben. Wer sind wir und was macht uns aus? Inwiefern prägen uns die Schicksale vorhergehender Generationen, das kollektive Gedächtnis oder gesellschaftliche Strukturen? Was formt uns, was gibt Halt und was engt ein? Die an Ahnenkleider erinnernden Körperhüllen eröffnen vielfache Denkräume und lassen durch die farbliche Reduktion gleichzeitig Raum für die individuellen Assoziationen und Projektionen. Statt konkreter Wegweiser liefern diese Arbeiten von Evelin Marin damit eine Einladung an die Betrachtenden, der Künstlerin auf die verschlungenen Pfade der Erzeugung menschlicher Identität zu folgen und zwischen zahlreichen Assoziationen und neuen Blickwinkeln den eigenen Standpunkt zu verorten oder auch zu befragen. (…) Anne Simone Krüger